Kurzprofil von Claudia Kessler – Diversity Persönlichkeit 2016

Nach den Sternen greifen – das ist für Claudia Kessler mehr als eine Allegorie. Sie verbindet damit ein konkretes Ziel: Sie will die erste deutsche Frau ins All schicken. Das scheint zu klappen. Sechs geeignete Kandidatinnen wurden am 1. März 2017 in Bremen vorgestellt. Zwei von ihnen werden sich auf den Weg zu den Sternen vorbereiten. Jetzt fehlt nur noch etwas Geld … 

 Vor einem Jahr hat Claudia Kessler die Mission „Die Astronautin“ ins Leben gerufen, mit der bis 2020 die erste deutsche Frau zu einer wissenschaftlichen Expedition zur Raumfahrtstation ISS fliegen soll. Das „Ticket to Space“ ist reserviert. Den ersten Trainingsabschnitt, der circa 50.000 Euro pro Kandidatin kostet, will sie über eine Crowdfunding-Kampagne finanzieren. Weite Mittel werden über Sponsoren eingeworben.

Vor allem wegen dieser ungewöhnlichen Privatinitiative wurde Claudia Kessler zur Diversity Persönlichkeit 2016 gewählt. Ihre Kampagne „Die Astronautin“ wirkt weit über Bremen hinaus und ist eine konsequente Fortsetzung ihres Zieles, Frauen in der Raumfahrt stärker sichtbar zu machen. In ihrer Rolle als Generaldirektorin von HE Space, einem Personaldienstleister für die Raumfahrtindustrie mit Hauptsitz in Bremen, setzt sich Claudia Kessler seit Jahren für die Beschäftigung von Raumfahrtingenieurinnen in einer von Männern dominierten Branche bewusst und gezielt ein.

Seit 2008 ist Claudia Kessler CEO (Generaldirektorin) von HE Space und eine der wenigen weiblichen Führungskräfte in der Luft- und Raumfahrt. Die diplomierte Ingenieurin für Luft- und Raumfahrt hat einen Master in Business Administration und verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Space Business. HE Space ist deutschlandweit der einzige Personaldienstleister mit Spezialisierung auf Fachkräfte in der Raumfahrt. Claudia Kessler ist Mitgründerin des europäischen Netzwerks Women in Aerospace Europe (WIA-E), das weibliche Fachkräfte in der Raumfahrtbranche gezielt bei der Karriereentwicklung unterstützt. Sie ist Mitglied des Senats der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt DGLR und des Plenums der Handelskammer Bremen.

Während ihrer Karriere baute sie ein internationales Netzwerk zu vielen internationalen Global Playern in der Luft- und Raumfahrtbranche auf. Claudia Kessler lebt in Bremen. Sie ist verheiratet und Mutter einer 19-jährigen Tochter.


Ab ins All: Fünf Fragen an Claudia Kessler

Claudia Kessler will endlich eine deutsche Astronautin auf Weltraummission schicken. Die Generaldirektorin des Unternehmens HE Space Operations hat die private Initiative „Die Astronautin“ gestartet, um das möglich zu machen. Dafür und insgesamt für ihr Engagement für eine bessere Wahrnehmung von Frauen in der Luft- und Raumfahrtbranche ist sie als Diversity Persönlichkeit des Jahres 2016 ausgezeichnet worden.

Frau Kessler, andere Nationen haben längst Frauen zur ISS geschickt. Warum ist bisher keine Deutsche dabei?

Claudia Kessler: In Deutschland gibt es vergleichsweise wenig Frauen in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Es gibt auch bei uns gute Ingenieurinnen, aber sie arbeiten oft im Stillen – ein Grund, warum es bisher keine deutsche Frau durch die Auswahlkommission geschafft hat. Frauen müssen ihre Kompetenz stärker öffentlich präsentieren. Dafür bietet unsere Initiative ein Forum.

Wie reagiert die Luft- und Raumfahrtbranche darauf?

Die Reaktionen sind sehr positiv, aber was noch fehlt, ist ein finanzielles Engagement. Die Finanzierung läuft bisher ausschließlich privat.

Wann fliegt die erste deutsche Frau ins All?

Ich hoffe, dass wir es bis 2020 schaffen. Das ist erreichbar, unsere Initiative hat für eine große öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt. Aber die Qualifizierung für einen Platz in einer Trägerrakete zur ISS braucht einen langen Vorlauf. 86 Kandidatinnen haben die Vorauswahl geschafft und sind zum offiziellen Auswahlverfahren des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zugelassen worden. Am 1. März haben wir in Bremen die sechs Kandidatinnen für die Endauswahl vorgestellt und unsere Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung des ersten Trainingsabschnitts gestartet. Wir brauchen rund eine Million Euro, um zwei Frauen in die Trainings schicken zu können. Dann geht es darum, einen Platz im Experimentalprogramm der ISS zu bekommen. Da hoffen wir auf Unterstützung der ESA, des DLR und der Bundesregierung.

Das sind immense Summen. Was bringt das?

Die Ergebnisse des Experimentalprogramms sind von hohem Interesse für die Wissenschaft. Die Daten, die bei den Experimenten erhoben werden, sind unter anderem für die Medizin interessant: Wie reagiert der Körper unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit? Schon jetzt ist klar: Frauen reagieren anders als Männer. Aber dazu fehlen noch exakte Erkenntnisse. Auch deshalb sollten weitere Frauen an der Mission teilnehmen.

Das Interview führte die Journalistin Annemarie Struß-von Pöllnitz.

Foto: Harald Rehling